Ich brauche ein polizeiliches Führungszeugnis. Ein erweitertes. Da ich mit Kindern und Jugendlichen arbeite. Das macht ja zunächst einmal total Sinn. Ich habe selber das eine oder andere Kind, welches ich auch geschützt wissen will.

Also, machte ich mich auf den Weg zur zuständigen Amtsstelle, sprich unser Bürgerbüro. Durch die Glasscheibe sehe ich, dass der coole gepiercte Typ, welcher mir schon bei sämtlichen Asylbewerberbelangen höchst liebevoll und geduldig geholfen hat, frei ist und laufe zielstrebig auf ihn zu. Werde aber von einem freundlichen, aber unmissverständlichen Lächeln einer ungepiercten, älteren Dame aufgehalten, ihr Schalter sei frei und zwar schon vor dem des Herren und wir wollen doch bitte schön die Reihenfolge einhalten. Ich lasse mich mit einem Seufzen in der Bürokratie nieder.

Ich schwöre, ich bin freundlich geblieben. Die ganze Zeit freundlich. Bis ich die Tür wieder hinter mir schloss, ja schloss nicht zuschlug. Durchgehend freundlich.

Mein Antrag, von der Schule, für die ich das Zeugnis brauche, ausgefüllt, wird von ihr schnell inspiziert, um dann mit einem: hier ist ja gar kein Stempel drauf. Ihr Finger zeigt auf die Stelle: Stempel der zuständigen Behörde. Ich lächle und sage, dass ich zum Grunde des Stempelerhaltens ich ja meinen Weg zu ihr gemacht habe. Ja, aber ohne Stempel der Schule könne sie das nicht bearbeiten. Die Unterschrift kann sie ja auch nicht lesen, das hätte ja jeder unterschreiben können. Ich schiele auf meine Unterschrift meines Ausweises und überlege, ob ich sie lesen könnte, wüßte ich nicht -Gott sei Dank- schon meinen Namen im Voraus.

Ohne Stempel der Schule kann sie das nicht bearbeiten. Es handele sich ja um das erweiterte Führungszeugnis. Und da muß mindestens ein Stempel, wenn nicht lieber geich ein Siegel auf den Antrag. Ich lächle. Und frage: wen schützen wir mit diesem Vorgang. Die Dame wird überraschend leidenschaftlich. Ja, die Kinder!!! Ja, der Sinn des Führungszeugnisses ist mir bewußt, und ich bin da voll bei Ihnen, ich will Ihnen nicht an den Karren fahren, ich verstehe nur nicht, wozu es einen Stempel für den Antrag benötigt. Die Dame ist ganz außer sich, dass ich nicht verstehen will. Ich will aber. Lächle. Das ist ein ganz empfindliches Dokument, das erweiterte Führungszeugnis, da steht  doch alles drinne, jegliche Kleinigkeit, welche ich mir je zu Schulden kommen habe lassen.

Ja, das ist mir bewußt. Daher ist es doch in meinem eigenen Sinne, darauf zu achten, wer dieses Zeugnis, welches ja MEINE Daten sind, MEIN Leben, dass ich genau weiß, wer diese Daten bekommt und ich daher ja im Vorfeld weiß, wer diese Schule ist. Mit oder ohne Stempel.

Ja, da könnte ja jeder im Internet diesen Antrag ausdrucken und dann ausfüllen, und dann verwenden, sie muß das ja alles archivieren, weil dies ein wichtiges Dokument ist und ohne Stempel geht da gar nix. Ich beisse mir auf die Lippen, um nicht den Einwand einzuwerfen, dass ich mir ja auch im Internet einen Stempel… Ich habe das schon von anderen Selbstständigen gehört, dass du einen Stempel dir machen mußt und erst dann – erst dann bist du vertrauenswürdig. Ich werde ab jetzt von jedem sich mir neu vorstellenden Menschen einen Stempel erbitten. Reine Schutzmaßnahme.

Die Dame vor mir lässt hochzufrieden ihren Blick über all ihre Stempel in allen Farben und Formen schweifen.

Ich lächle.

Ich gungte heim. Ohne polizeilichem Führungszeugnis. Aber einem eintragswürdigen Vorfall noch gerade einmal ausgewichen. Ich lächle.

Und schüttele den Kopf, ich wollte es doch nur verstehen. Hoffte, dass ein echter Grund dahinter steht, außer Bürokratie.

Morgen gehe ich wieder hin und warte hinter dem Gummibaum, bis Piercingboy frei ist…