Gurken

Mein mir anverwandtes jüngstes Kind hat Urlaub auf dem Land gemacht und durfte dort beim Anbau von Gemüse behilflich sein. Nun ist er hochgradig motiviert und möchte seine eigene Zucht im Garten anlegen. Da es sich hier um ein pädagogisch hochwertvolles Projekt handelt, springe ich natürlich sofort auf, um ihn bei diesem Vorhaben zu unterstützen. Ich sage: Mach. Ich habe dafür keine Zeit und Nerv.

Wenig später befindet sich in meinem Wohnzimmer Erde. Zum Teil auch in den für die Anzucht vorgesehenen Töpfchen. Da er bei der Bewässerung der ersten eingepflanzten Salatsamen auch den Rest unter Wasser setzt, müssen wir auch diese restliche Salatsaat einpflanzen. Töpfchen, Gefässe und Schalen sonnen sich im Terassentürbereich. Mein Jüngster liegt strahlend davor und erklärt, er könne da jetzt den Pflänzchen einfach beim Wachsen zusehen. Ich freue mich, während ich mit Sorge auf die Gurkenpflanzen blicke, die Dank dieser liebevollen Pflege aus ihrem Anzuchtsbrutgewächshaus herauszuexplodieren scheinen. Ein Umzug steht an, und der wird auch mich betreffen. Ich wollte kein Gemüse. Ich finde es prima, es im Supermarkt zu kaufen und über die Plastikverpackung zu schimpfen. Wir gehen in den Baumarkt. Kaufen Erde, Gewächshaus, Stangen, Gieskanne. Ich rechne aus, dass wir um die 532 Gurken ernten müssen, damit sich das alles rechnet. Jaja, die Anschaffung ist ja für all die nächsten Jahre getätigt. Die nächsten Jahre??? Ich wollte keine Gurken.

Wir, vielmehr ich grabe das Beet im Garten um (mein Jüngster meint: Ich kann dir beim Graben nicht helfen, schau, wieviel Tiere ich da töten müsste, ich kann das nicht) Ich schon. Ich hacke und grabe und schaufele und töte. Denke daran, was ich  eigentlich alles zu erledigen hätte. Die Gurken werden eingesetzt. Das eher windige Gewächshäuschen drübergestülpt. Ich schnaufe durch, erledigt, darf ich mit meinem Leben jetzt wieder weitermachen?

Wir liegen im Bett. Mein Jüngster schaut mich mit großen Augen an. Mama. Ich habe Angst. Dass den Gurken zu kalt ist.

Barfuß und leicht bekleidet krame ich in der dunklen Garage nach einer Decke, lege sie über die Gurken und sage gute Nacht.

Am nächsten Morgen sind sie wohl auf. Recken ihre kleinen Blättchen in die warme Morgenluft. Ja. Ok. Ich war die Erste, die kontrolliert hat. Nur, damit ich im etwaigen Fall meinen Sohn vorsichtig drauf vorbereiten kann…

Wir haben Gurken. Kinder und Hund aus dem Gröbsten raus. Sorge ich mich nun um Gurken. Ich kam gestern Nacht spät nach Hause und stolperte im Dunklen nach Hinten, um zu sehen, wie es ihnen geht. Und um gute Nacht zu sagen.

🙂