Ich wurde gebucht als Frau Doktor. Zu diesem Zwecke reise ich am Vorabend an. Der ausgesprochen nette Regisseur empfängt mich vor meiner nicht klein und niedlichen sondern groß und furchteinflössenden, vielzimmerigen Pension, überreicht mir meine Schlüssel, da sonst seines Wissens nach niemand im Haus ist. Die untenbefindliche Gaststätte ist schon geschlossen, morgen ist Ruhetag. Ich schleppe meine Taschen in den zweiten Stock, unterm Dach finde ich mein Zuhause fern der Heimat. Von einem langen spärlich beleuchteten Gang gehen mehrere Zimmer ab. Der Blick kommt mir bekannt vor, wo hab ich den gesehen? Ach ja, Stephen King. In der Neuverfilmung des Bates Motels. In meiner Kammer erkenne ich souverän, dass sich sowohl Nasszelle als auch Toilette auf dem Gang befinden. Schnell beschließe ich, nicht mehr Pipi zu müssen. Nie mehr. Ich sitze in dem kargen aber sauberen Zimmer auf dem Bett. Lausche der Stille. Etwas ratlos. Und jetzt? Es ist 21 Uhr.
Ich lese den Text durch, gehe meine Aufzeichnungen, Gedanken und Charakteristika durch. Es ist immer noch still.
Bis auf die gegenüberliegende Kirchturmuhr, welche mich Viertelstündlich daran erinnert, dass ich zurecht Kirchennichtbezahlerin bin. Zur vollen Stunde mit ausgiebig glockentobender Vehemenz.
Dazwischen: Stille.
Moment. Was war das?
Das eindeutige Geräusch einer zufallenden Tür. Meine Nackenhaare beschließen, sich aufzustellen.
Ich bin doch alleine hier. Ganz alleine. Oder?
Schlurfende Schritte auf dem Gang. Ein Stockwerk tiefer. Dann Stille.
Ich schiebe den Stuhl vor die Tür, so wie ich es in Filmen gesehen habe. Die Lehne ist zu kurz oder die Klinke zu hoch, auf alle Fälle ein erbärmliches Ergebnis. Überlege den Schrank vor die Tür zu schieben, in Kombination mit dem Tisch wird das zu einem undurchbrechbaren Pressspannplattenbollwerk. Und den Stuhl kann ich verwenden, um darauf stehend ins Waschbecken zu pinkeln, so denn ich meinen Kopf der Dachschräge wegen einklappen kann.
Ich fange an zu bereuen, dass ich mir ein Radler an der Tanke besorgt hatte. Dieses will nu den Weg aller Flüssigkeiten gehen.
Ich appelliere an meine Vernunft. Dann ist halt noch n Gast im Haus. Vorsichtig öffne ich die Tür einen Spalt weit. Dunkelheit blitzt mir feindselig entgegen. Tief luftholend ertaste ich das Licht, welches lautstark aufflackert und seine fehlende Leuchtkraft nunja entfaltet. Ich renne los: dass meine Zimmertür ächzend ins Schloss fällt, bekomme ich nur dunkel mit, schnell am unheilverheissenden schwarzen Vorhang vorbei, aufs Klo. Es kommen nur ein paar verängstigte Tropfen, nicht wert, dafür das Leben riskiert zu haben. Der zitternden Hände wegen fällt mir die Toilettenpapierrolle scheppernd in den Blecheimer.
Ich stolpere zurück, bevor sich das dumpfe Licht automatisch abschaltet, Klotür zu schlagend. Welches war noch mein Zimmer? Das mit dem Schrank vor der Tür – innen. Ich drücke es kratzend, schleifend auf.
Im Augenwinkel sehe ich im hinteren Bereich des Ganges ein Licht, eine Tür wird einen Spalt weit geöffnet, und ganz schnell wieder ganz leise geschlossen, als ob jemand dahinter Angst hätte. Vor den rennenden Schritten, schleifenden Möbelgeräuschen, zu fallenden Türen und dem hysterischen Panikschnaufen 🙂
Mir war bis eben nicht bewusst, dass ich dich so einer traumatischen Situation ausgesetzt habe. Andrerseits, in Anbetracht der Rolle, vielleicht gar keine schlechte Vorbereitung. 🙂
Ja, lieber Daniel, wir Schauspieler müssen unsere tiefen Verletzungen tief und unsichtbar in uns tragen, es sind derer ja so viele, wenn du wüßtest… Ich habe letzte Woche zu meinem Therapeuten gesagt, dass ich jetzt langsam wieder weiße Kleidung, weiße Möbel und weiße Anschnallriemen anschauen kann….